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Ralf Nentwich: „Wenn das klappt, wäre es ein politischer Coup für die Murrbahn!“

veröffentlicht: 17. Oktober 2025| zuletzt bearbeitet: 17. Oktober 2025| AuthorIn: Juliana
Ralf Nentwich auf der Murrbahn
Ralf Nentwich auf der Murrbahn
Ralf Nentwich auf der Murrbahn

Stuttgart / Backnang – Der Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich (Grüne) setzt sich seit Jahren mit Nachdruck für den Ausbau der Murrbahn ein. Nach intensiven Gesprächen mit dem baden-württembergischen Verkehrsministerium und Verkehrsminister Winne Hermann sieht Nentwich nun eine historische Chance: Sollte die Murrbahn aus strategischen Gründen – insbesondere unter dem Aspekt des sogenannten Dual Use – in die Förderkulisse aufgenommen werden, wäre das ein politischer Durchbruch, der maßgeblich auf seine Initiative zurückgeht.

„Es wäre ein Meilenstein und Durchbruch, wenn es gelingt, die Murrbahn als strategisch relevante Infrastruktur sowohl für den zivilen als auch für den militärischen Bereich aufzuwerten – mit dem klaren Ziel, sie hoffentlich nie militärisch nutzen zu müssen, sondern für die Menschen in der Region. Das ist mir als Theologe und Friedenpolitiker wichtig zu sagen“, betont Nentwich. Nentwich ist dafür bekannt auch mal „Out of the box“ zu denken – schon als Medienzentrenleiter brachte er im Landratsamt Rems-Murr wichtige Zukunftsprojekte auf den Weg.

Dual Use als Schlüssel zur Zukunft der Murrbahn

Das Prinzip des Dual Use – also die doppelte zivile und militärische Nutzung von Infrastrukturen – spielt aktuell eine zentrale Rolle in der europäischen Verkehrspolitik. Wie aus dem Schreiben des Verkehrsministeriums hervorgeht, liegt der Fokus der EU zunehmend auf der Förderung solcher Projekte, die sowohl der nationalen Sicherheit als auch dem zivilen Personenverkehr dienen.

„Die Murrbahn ist nicht nur eine Lebensader für Pendlerinnen und Pendler, sondern auch eine wichtige Ost-West-Verbindung im Herzen Europas“, so Nentwich weiter. „Wenn wir es schaffen, sie in die europäischen Military Mobility-Programme einzubringen, schaffen wir die Grundlage für einen schnellen, unbürokratischen Ausbau – und gleichzeitig für mehr Sicherheit und Nachhaltigkeit.“

Von der Legende des Versailler Vertrags zum europäischen Zukunftsprojekt

Die Murrbahn hat eine bewegte Geschichte. Schon nach dem Ersten Weltkrieg war sie Gegenstand strategischer Überlegungen als Legende im Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag, der militärische Nutzungsmöglichkeiten in Deutschland stark einschränkte und mündlich überliefert wurde, dass diese Strecke niemals ausgebaut werden dürfe. „Heute drehen wir diese Legende ins Positive“, erklärt Nentwich. „Aus einer ehemals verbotenen strategischen Nutzung wird ein Beitrag zu Frieden, Vernetzung und nachhaltiger Mobilität.“

Der frühere Backnanger Oberbürgermeister Nopper erwähnte bei vielen Terminen immer wieder das Gerücht, der Versailler Vertrag habe 1919 verhindert, dass die Murrbahn zweigleisig ausgebaut worden sei. Demnach hätten die Siegermächte des Ersten Weltkriegs damit verhindern wollen, dass die Strecke als kriegswichtige Nachschublinie aufgewertet werde. Diese Darstellung findet sich zurzeit auch im Murrbahn-Eintrag der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, jedoch ohne Beleg. Im eigentlichen Text des Versailler Vertrags sind weder die Murrbahn noch ein grundsätzliches Verbot des Ausbaus eingleisiger Bahnverbindungen erwähnt.

Politische Zusammenarbeit und nächste Schritte

Ralf Nentwich lobt ausdrücklich die enge Zusammenarbeit mit dem europapolitischen Sprecher Niklas Nüssle der Grünen Landtagsfraktion und dem Verkehrsminister Winne Hermann: „Wir ziehen an einem Strang. Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, dass die Murrbahn endlich die politische und finanzielle Priorität bekommt, die sie verdient.“

Der nächste Schritt ist für Nentwich klar: Er wird sich in einem Schreiben an den Bundesverteidigungsminister wenden und die Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien sowie die IG Schienenkorridor dazu aufrufen, das Projekt gemeinsam zu unterstützen.

„Diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen. Wenn Bund, Länder und Europa an einem Strang ziehen, könnte der Ausbau der Murrbahn ab 2028 in die neue Förderperiode aufgenommen werden – und das in einem schnellen, unbürokratischen Verfahren im Sinne der nationalen Sicherheit“, betont Nentwich.

Hintergrund

Ein zentrales Element in Nentwichs Initiative ist die gezielte Nutzung der europäischen Förderinstrumente. Im Antwortschreiben des baden-württembergischen Verkehrsministeriums wird deutlich, dass sich durch Programme wie die „Connecting Europe Facility“ (CEF) und insbesondere deren Teilbereich „Military Mobility“ neue Perspektiven für den Ausbau der Murrbahn eröffnen. Diese Programme wurden von der Europäischen Union geschaffen, um Infrastrukturen zu fördern, die sowohl dem zivilen Personen- und Güterverkehr als auch im Krisenfall militärischen Zwecken dienen können – also ganz im Sinne des Dual-Use-Gedankens.

Gerade Bahnstrecken wie die Murrbahn, die eine strategisch wichtige Ost-West-Verbindung zwischen Stuttgart und dem Hohenloher Raum bildet, erfüllen die europäischen Kriterien für förderfähige Projekte: Sie sind von regionaler Bedeutung, aber zugleich Teil eines größeren transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Damit könnte die Murrbahn in die europäische Kernnetzplanung aufgenommen werden und hätte Anspruch auf eine Förderung, die – je nach Projektphase und strategischer Einordnung – bis zu 50 Prozent der Investitionskosten abdecken kann.

Darüber hinaus weist das Verkehrsministerium darauf hin, dass die kommende EU-Förderperiode ab 2028 besondere Chancen für Projekte bietet, die einen Beitrag zur nationalen Sicherheit und europäischen Resilienz leisten. Für solche Vorhaben sind vereinfachte Verfahren und beschleunigte Bewilligungen vorgesehen – ein entscheidender Vorteil für Projekte wie die Murrbahn, die sowohl verkehrlich als auch sicherheitspolitisch hohe Priorität haben.

Neben den EU-Mitteln kommen auch nationale Programme des Bundes in Betracht, etwa im Rahmen des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) und des Förderprogramms „Klimaschutz durch Schienenverkehr“. In der Kombination dieser Mittel entstünde eine solide Finanzierungsbasis, um die Murrbahn nachhaltig und zukunftsorientiert auszubauen.