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Brücken bauen im Advent: #11 Woher und wohin

veröffentlicht: 10. Dezember 2025 | zuletzt bearbeitet: 10. Dezember 2025 | AuthorIn: Ralf Nentwich

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In Deutschland ist „Multikulti“ bis heute, zumindest auch, ein Kampfbegriff. Gerade den Grünen wurde und wird unterstellt, es Einwanderern zu leicht machen zu wollen bei deren Integrationsleistungen, allzu naiv zu sein gegenüber den Herausforderungen und nicht zuletzt auch Überforderungen, die sich zwangsläufig aus der Sozialisierung in unterschied-ichen Kulturen ergeben. Multikulti ist aber noch etwas ganz anderes: einfach ein Faktum. Bei manchen weniger, bei anderen mehr, bei Cem Özdemir ziemlich viel. 
Seine Mutter stammte aus Istanbul, der größten Stadt der Türkei, hatte aber ihrerseits eine griechische Großmutter. Beide Länder waren in ihrer wechselvollen Geschichte fast immer verfeindet. Die Frauen sprachen Griechisch miteinander, wenn sie niemand verstehen sollte. Weil der Großvater mütterlicher-seits einer türkischen Offiziersfamilie entstammte, muss-te Cems Großmutter aber zum Islam konvertieren und ihren Namen ändern, damit die beiden überhaupt heiraten konnten. Teile beider Familien akzeptierten die Verbindung nicht, doch das Paar trotzte allen Widerständen. 
Viele Jahre später freuten sich Nihals erste Kundinnen in ihrem neuen Laden in Urach für sie, weil sie der Türkei entronnen war und jetzt kein Kopftuch mehr tragen musste. Auf Erläuterungen in ihrem gebrochenen Deutsch verzichtete die Schneiderin. Sie wusste sich anders zu helfen und platzierte gut sichtbar ein Bild ihrer eigenen Großmutter an die Wand: unverhüllt mit kurzen Haaren. Eine derartige nonverbale Aufklärung Einheimischer blieb die Ausnahme. Für gewöhnlich war der Informationsfluss umgekehrt. Von den Gastarbeitern wurde schlicht erwartet, sich für die neue Umgebung zu interessieren, um sie zumindest einigermaßen begreifen zu können.