Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Spotify. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenCem Özdemir hat viele Erfahrungen in frühen Jahren gesammelt. Denn es lebte sich mühsam in mehreren Welten. Der aufgeweckte Junge, auf Schwäbisch „Bua“, wollte dazugehören. Aber er wollte auch schon erstaunlich früh herausfinden, wie weit er dafür gehen musste. Cem akzeptierte regelmäßige Ohrfeigen von José, in der Hoffnung auf eine stabile Freundschaft unter Sechsjährigen. Der kleine Portugiese, ebenfalls Gastarbeiterkind, schlug ihn jedes Mal ins Gesicht, nachdem er ihn aus der Wohnung auf die Straße gelockt hatte, und versprach, beim nächsten Mal ganz bestimmt auf den Schlag zu verzichten. Cem fügte sich einerseits in die Rolle des Watschenmanns, entwickelte andererseits aber diese Neugier auf Zumutungen und ihre Wirkung. Und darauf, wo Übergriffe ihre Grenzen haben. Irgendwann hatte sich das Ritual verbraucht, unvergessen ist es bis heute. Und nützlich für jemanden, der schon so früh mehr über die eigenen und die Grenzen anderer erfahren wollte.
Lehrreich war auch die Sache mit der Steinschleuder. Nach einem Umzug der Familie Özdemir innerhalb von Urach wollte Cem Kontakt aufnehmen und andere Kindern in der neuen Nachbarschaft auf sich aufmerksam machen. Er spielte mit der Schleuder am offenen Fenster und traf die Scheibe eines Ladengeschäfts gegenüber, die jedoch heil blieb. Trotzdem fürchtete er ernsthaft, ins Gefängnis zu kommen. Die neue Clique ließ ihn zunächst schmoren, nahm ihn schließlich aber doch auf, mit einer geradezu dialektischen Begründung: Wer weiß, was er sonst noch Gefährliches anstellen würde, um dazuzugehören.