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Brücken bauen im Advent: Folge 6 – Wider den Fanatismus

veröffentlicht: 6. Dezember 2025 | zuletzt bearbeitet: 6. Dezember 2025 | AuthorIn: Ralf Nentwich

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Ein exemplarisches Ereignis aus der Geschichte seiner Familie hörte Cem früh von seiner Mutter Nihal. Es ging um Verständigung zwischen unterschiedlichen Menschen unterschiedlicher religiöser Sozialisation, die eben nicht zustande kam, weil rohe Gewalt und das angemaßte Recht des Stärkeren sich durchsetzten. Als Junge war Cems Vater Abdullah eines Tages zu Erntehelfern geschickt worden, um ihnen Essen zu bringen. Auf dem Weg wurde er von anderen Heranwachsenden aufgehalten, beleidigt und verprügelt. Mitten im Fastenmonat Ramadan sei so etwas sogar verboten, belehrten ihn die orthodox-muslimischen Angreifer. Am Ende schütteten sie die Speisen und Getränke für die Erntehelfer auf die Erde aus. 

Die zornige Reaktion von Cems Großmutter bestand darin, die Erwachsenen in der Nachbarschaft verbal massiv zu attackieren, wegen ihrer Einmischung in die religiösen Angelegenheiten anderer. „Eher würden diese ehrlichen Menschen ins Paradies kommen als ihr ganzes Dorf mit seinen heuchlerischen Frömmlern“, so zitiert Özdemir Jahre später den Wutausbruch seiner wackeren Großmutter, der sunnitischen Muslimin, in Bewunderung für ihre Toleranz und ihren Einsatz.

Die Erntehelfer zählten zur Glaubensgemeinschaft der Aleviten, die im Vergleich zur muslimischen Mehrheitsgesellschaft einem liberaleren Pragmatismus anhängen und etliche wichtige Verhaltensvorschriften im Koran ablehnen. Deshalb nehmen sie unter anderem nicht am Ramadan mit seinem dreißigtägigen Fasten teil.