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Mehr InformationenIn Cem Özdemirs Leben gab es viele glückliche Fügungen. Manche stellten die Weichen für ein paar Jahre neu, andere ermöglichten den einen oder anderen Karrieresprung. Eine jedoch veränderte sein ganzes Leben. Anfang der Siebzigerjahre betrat Frau Naumann die Änderungsschneiderei von Nihal Özdemir in Urach, um eine Hose für ihren Vierjährigen ändern zu lassen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später zitiert sie den Dialog: Cems Mutter erklärte, zu wissen, dass Frau Naumann eine gute Lehrerin sei, und genau das brauche jetzt ihr Sohn. „Das war keine Bitte, sondern ein Befehl“, erinnert sich die Nachhilfelehrerin. Sie traf auf einen hochintelligenten Jungen mit katastrophaler Rechtschreibschwäche, und das in einer Zeit, in der für dumm gehalten wurde, wer nicht korrekt schreiben konnte. Dem Umstand, dass sie das nicht tat, hat er seinen Bildungsaufstieg zu verdanken – bis hinauf in die Chefetage des Bundeswissenschaftsministeriums.
Wiederum ein halbes Jahrhundert nach dieser Begegnung mit Mutter Nihal griff die resolute Rektorin i. R. erneut in die Vita ihres einstigen Nachhilfeschülers ein. Als Bad Uracher Gemeinderätin mit FDP-Parteibuch warb sie erfolgreich dafür, ihrem Schützling mit der so langen und erfolgreichen Karriere als Grünen-Politiker die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt zu verleihen. Bei der Festveranstaltung ereilte ihn eine Bitte von Frau Naumann, die ihre Laudatio mit dieser Botschaft krönte: „Cem, komm hoim ins Ländle.“ Sie sagt viel Gutes über den frischgebackenen Ehrenbürger. Sie ist politisch, herzlich und pfiffig, „knitz“ eben, wie Schwaben sagen. Und sie endete mit den klassisch gewordenen drei Worten: „Wir schaffen das.“